Syker Vorwerk

Markus Genesius‘ Arbeit „Built and Destroyed“ ist eine energiegeladene Reflexion über die Natur von Graffiti und Streetart als ephemere Kunstformen im Kontext des öffentlichen Raums. Entstanden zwischen dem 27. April bis zum 4. Mai 2024 an einer dafür konstruierten Holzwand im Skulpturenpark des Syker Vorwerks, zeigt sie auf beeindruckende Weise die Vielschichtigkeit und Vergänglichkeit dieser Kunstformen.

Für Genesius ist Graffiti auf Leinwand keine authentische Umsetzung. Er betrachtet Streetart im Stadtraum als Kunst mit einer einzigartigen Energie, die sich nicht in traditionellen Fine-Art-Medien einfangen lässt. Sein Werk „Built and Destroyed“ (Gebaut und Zerstört) reflektiert diese Überzeugung auf vielfältige Weise.

Die Arbeit beginnt mit einem Wild-Style, die an Genesius‘ Wurzeln als Graffiti-Künstler seit Ende der 1980er Jahre erinnert. Doch dieser sorgsam konstruierte erste Layer aus bunten Buchstaben, wird sofort nach Fertigstellung von ihm selbst übermalt. Ein Back-to-the-roots-Moment, der die Vergänglichkeit und den ständigen Wandel von Streetart und der eigenen künstlerischen Entwicklung symbolisiert.

Weiterhin fügt der Künstler verschieden farbige horizontale Streifen hinzu, die an die Dynamik von fahrenden Zügen erinnern sollen, gefolgt von einer weißen Übermalung, die das ephemere Wesen von Streetart unterstreicht. Markus Genesius reflektiert hier die Realität, in der Graffiti-Kunst im öffentlichen Raum oft übermalt oder gereinigt wird, was zur Auslöschung der Kunstwerke führt. Seine Reaktion darauf ist die Setzung seines Tags – die Signatur jedes Sprayers, es präsentiert seinen Graffiti-Namen WOW 123. Es ist aber nicht nur eine Unterschrift, sondern eine besondere Erinnerung an alle Werke des entsprechenden Sprühers. Hier geht es vor allem um die Menge der aufgebrachten Zeichen und ihrer Wiedererkennung im Stadtraum.

Auf eine weitere darüber gesprühte silberne Farbfläche lässt Genesius auch noch eine Destroyline (auch Terrorline oder Damageline genannt) setzen – die schnellste Form des Graffitis im Vorbeigehen auf Wänden oder Zügen gesprüht. Die Destroyline zerstört eine Fläche oder ein gemaltes Bild. Sie ist ein Zeichen der Verachtung (Disrespect) gegenüber dem Maler oder ein Zeichen des Unmutes über eine frisch gebuffte (gereinigte) Fläche.

Die nächste Bildschicht ist das Fernseh-Testbild, das seit über einem Jahrzehnt zu Genesius‘ Signature-Motiv geworden ist. Dieses markante Bild, das alle Farben des RGB-Spektrums und geometrische Grundformen vereint, wird von schwarzen rechteckigen Flächen überlagert, bis nur noch ein kleiner Bereich erkennbar bleibt.

Schließlich montiert der Künstler schwarze Holzflächen auf das Werk, um ein Relief zu erschaffen, das eine Brücke zwischen Graffiti und Fine-Art sowie zwischen Bildhauerei und Malerei schlägt und gleichzeitig eine Verbindung zum Skulpturenpark des Syker Vorwerks herstellt. Das Kunstwerk bewegt sich nicht nur visuell auf die Betrachtenden zu, sondern erobert sich buchstäblich den realen Raum – die dritte Dimension.

Zusätzlich fügt Markus Genesius einen QR-Code hinzu, der auf seine Webseite führt, auf der alle Werkzustände dieser Arbeit durch Fotos dokumentiert sind und somit archiviert werden. Dieser QR-Code schafft einen Bezug zur eigenen Archivarbeit, die Genesius aktuell parallel zur künstlerischen Arbeit betreibt.

„Built and Destroyed“ ist nicht nur eine großartige visuelle Erfahrung, sondern auch eine kluge Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit, Dynamik und Vielschichtigkeit von Graffiti und Streetart. Es zeigt, wie diese Kunstformen nicht nur den Raum, sondern auch die Zeit prägen und ständig im Prozess des Aufbaus und der Zerstörung begriffen sind.

Nicole Giese-Kroner